Bischof Ägidius J. Zsifkovics anlässlich der Übergabe der Stiftungsurkunde
Worte des Bischofs von Eisenstadt
Dr. Ägidius J. Zsifkovics
anlässlich der Übergabe der Stiftungsurkunde und der Statue des Hl. Andreas
zur Gründung des ersten orthodoxen Klosters in Österreich
an den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel
Bartholomaios I.
11. November 2014, Pontifikalamt im Dom zu Eisenstadt, 9.00 Uhr
Allheiligkeit! Panajótate!
Geliebter Bruder Bartholomaios!
Wenn wir heute den Tisch des Herrn gedeckt haben und Ihm im eucharistischen Mahl begegnet sind, dann taten wir dies in Vorfreude auf den Tag, an dem unsere beiden Kirchen gemeinsam Mahl halten werden. Als Glieder ein und derselben christlichen Familie, unter einem Herrn und Heiland, Jesus Christus, lieben wir einander und können nicht anders, als uns zum Ziel der Eucharistiegemeinschaft zu bekennen.
Geliebter Bruder! Wir wissen, dass der offizielle theologische Dialog zwischen orthodoxer und katholischer Kirche noch viele Herausforderungen zu bestehen hat. Doch wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die volle und sichtbare Einheit aller Söhne und Töchter Jesu in erster Linie nicht durch Debatten und Konsenspapiere zu erreichen ist. So wie unser Glaube nicht bloß eine Setzung menschlichen Denkens ist, sondern die Frucht einer Gabe, so kann uns auch die Einheit letztlich nur geschenkt werden. Wir können die Einheit nicht „machen“, wir können nicht unter Experten verfügen, dass sie zu einem bestimmten Datum vollendet ist. Die Einheit der Christen ist kein intellektueller Prozess. Sie ist ein spiritueller Prozess.
„Wartet nicht auf die Theologen!“, hat Papst Franziskus im Oktober diese Jahres uns Christen aufgefordert. Wir sollen „zusammen vorangehen, füreinander beten und miteinander Werke der Barmherzigkeit tun" und dabei nicht erst auf Einigung in theologischen Fragen warten. Das bedeutet, dass wir Christen in unseren Herzen alles tun müssen, um der Einheit wieder fähig und würdig zu werden. Wichtiger als Konsenspapiere und ökumenische Erklärungen ist es, dass wir alle in der Liebe und im Glauben wachsen. Dann wird uns auch eines Tages die Einheit geschenkt werden.
Als Metropolit Arsenios mir von seinem großen Wunsch erzählte, im Burgenland ein orthodoxes Kloster gründen zu wollen, damit auch die orthodoxen Christen im pannonischen Raum einen spirituellen Ort haben und es einen Ort der ökumenischen Begegnung geben kann, da fiel mir der geteilte Mantel des heiligen Martin ein. Mit dem Nächsten teilen, wo es ein dringendes Bedürfnis, wo es einen Mangel gibt – das war Martins christliche Botschaft an die Welt! Martinus ist ein Heiliger, der die Tat über das menschliche Wort setzt, die christliche Liebe über den Intellekt – und er lebte zu einer Zeit, in der unsere beiden Kirchen noch eins waren. Die Bitte von Metropolit Arsenios ließ mich begreifen, wie viel der heilige Martin auch und gerade der Ökumene zu sagen hat. Und so, Allheiligkeit, beschloss die Diözese Eisenstadt, eine besondere Martins-Tat gegenüber unseren orthodoxen Mitchristen zu setzen:
(2 Ausfertigungen der Stiftungsurkunde werden gebracht, Sekretär Dr. Orieschnig verliest den Inhalt):
In Anbetracht des Umstandes, dass die Apostel Petrus und Andreas Brüder waren
und sowohl katholische als auch orthodoxe Christen
Mitglieder ein und derselben Familie sind;
im Bewusstsein, dass nach Jahrhunderten der Einheit und den darauf folgenden Jahrhunderten der Trennung die heutigen Zeichen der Zeit
die volle Einheit aller Christen herbeisehnen;
in dankbarer Erinnerung an die historische Begegnung zwischen Papst Paul VI.
und dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Athenagoras I.
in Jerusalem, mit welcher der Weg zu dieser Einheit eröffnet wurde;
in beherzter Erwiderung des erklärten Wunsches von Papst Franziskus
und des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomaios I.,
für die weitere Annäherung von katholischer und orthodoxer Kirche intensiv
arbeiten zu wollen mit dem Ziel, eines Tages die volle Einheit wiederzuerlangen;
in gläubiger Betrachtung der Tat des heiligen Martin, der sein Eigentum
aus bedingungsloser Nächstenliebe teilte, aus welchem Grunde
der Bischof der Martinsdiözese Eisenstadt und die katholischen Christen
der auf den heiligen Andreas geweihten Pfarre St. Andrä am Zicksee gegenüber ihren orthodoxen Geschwistern durch die Zurverfügungstellung eines Stückes Land
eine Martins-Tat der Nächstenliebe zu setzen wünschten;
bringen die Unterzeichneten ihren erklärten Wunsch zum Ausdruck, den Grundstein
für das 1. Orthodoxe Kloster Österreichs auf burgenländischem Boden zu legen,
um den orthodoxen Christen Pannoniens einen spirituellen Ort zu geben
und einen Raum gelebter, von Nächstenliebe und Respekt getragener Ökumene zwischen orthodoxen und katholischen Christen zu ermöglichen,
zum Wohl der Gläubigen der Region und als Beispiel geschwisterlicher Liebe für andere.
Möge auf diesem fruchtbaren Boden die christliche Einheit wachsen!
+Ägidius J. Zsifkovics
Bischof von Eisenstadt
kismartoni püspök
+Arsenios Kardamakis
Metropolit von Austria
Exarch von Ungarn und Mitteleuropa
Gegeben zu Eisenstadt, am Fest des heiligen Martin im Jahre des Herrn 2014
(Der Diözesanbischof überreicht eine Urkunde an den Ökumenischen Patriarchen; das zweite Exemplar wird dem Metropoliten von Austria überreicht).
(Diözesanbischof weiter):
Es ist wohl ein Zeichen von oben, dass sich dieses Stück Land in einer burgenländischen Pfarre mit dem Namen St. Andrä befindet. Der heilige Andreas gilt als der bedeutendste orthodoxe Heilige, als Apostel Konstantinopels, und er ist für die orthodoxe Kirche das, was sein leiblicher Bruder, der Apostel Petrus, für die römisch-katholische Kirche bedeutet. Sie, geliebter Bruder Bartholomaios, gelten als heutiger Erzbischof von Konstantinopel und Ökumenischer Patriarch als der 270. Nachfolger des Apostels Andreas.
(2 Vertreter der Pfarre St. Andrä bringen die Andreas-Statue)
Diese Statue ist eine Kopie der Andreas-Statue in der Pfarrkirche von St. Andrä am Zicksee, dem Ort, wo die Metropolis von Austria ihr Kloster errichten will. Im Sockel der Statue ist ein Gefäß eingelassen, das Erde von diesem Stück Land enthält. Es ist gute, fruchtbare pannonische Erde. Doch die Erde allein ist nichts, unsere Bauern im Burgenland wissen das. Damit etwas wachsen kann, braucht es die menschliche Mühe. Und es braucht den Segen von oben. Das gilt auch für die Ökumene.
Ich vertraue daher Sie, Allheiligkeit, den lieben Bruder Metropolit Arsenios, das geplante orthodoxe Kloster, dem hiermit die Grundlage gegeben werden soll, alle orthodoxen Schwestern und Brüder, alle Gläubigen unserer Diözese, insbesondere die Menschen der Pfarre St. Andrä am Zicksee, und uns alle der besonderen Fürsprache unserer Heiligen an: der Fürsprache des heiligen Andreas und seines Bruders, des heiligen Petrus – die uns immer daran erinnern, dass unsere beiden Kirchen Geschwister in ein und derselben christlichen Familie sind; und der Fürsprache des heiligen Martin, dessen Fest wir heute begehen und der uns mit seinem gelebten Beispiel den Weg zu stetig wachsender Liebe und damit zur christlichen Einheit weist.
„Ökumene“ bedeutet (die) „bewohnte Erde“. Möge diesem Stück Erde in St. Andrä auf die Fürsprache des heiligen Andreas und des heiligen Martin reiche Frucht erwachsen. Möge sie bewohnt werden! Und möge diese kleine bewohnte Erde St. Andrä dem ganzen Erdkreis Beispiel und Vorgeschmack unserer kommenden Einheit sein!